ALLERGISCHE REAKTION AUF NAHRUNGSMITTEL IST EIN UNFALL
Das OLG München hat in einem Urteil vom 01.03.2012 entschieden, daß die versehentliche, unbewusste Aufnahme von Lebensmitteln, auf die man stark allergisch reagiere, einen Unfall im Sinne der privatrechtlichen Vertragsbedingungen darstellt. (Az.: 14 U 2523/11)
Ein 15 Jähriger, geistig behinderter Junge, dessen Nahrungsmittelallerige bekannt war, verstarb Weihnachten 2009 an einer starken allergischen Reaktion nach dem (heimlichen) Verzehr von nusshaltiger Schokolade. Die Mutter des Kindes machte gegenüber der Unfallversicherung der Familie die versicherte Todesfallleistung in Höhe von 27.000.- € geltend.
Das Landgericht Memmingen gab zunächst der Versicherung recht, die hier keinen Unfall erkennen wollte. Ein bewusstes, gewolltes Verzehren einer Schokolade sei kein „von außen unfreiwillig auf den Körper wirkendes Ereignis“
Das Oberlandesgericht München hat das Urteil aufgehoben: Todesursache des Kindes sei die allergische Reaktion auf die Nahrungsmittel. Das versehentliche oder unbewusste Verzehren allergener Stoffe sei ein Unfall im Sinne der Vertragsbedingungen. Dort sei als Unfall definiert wenn die versicherte Person durch ein von außen auf ihren Körper einwirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Das Merkmal der Unfreiwilligkeit bezieht sich dabei, so das OLG, nicht auf die Einwirkung von außen, sondern auf die daraus resultierende Gesundheitsschädigung.
Das maßgebliche Ereignis im vorliegenden Fall war das Aufeinandertreffen der Schokolade mit der Mundschleimhaut des verstorbenen Kindes. Das sei ein von außen einwirkendes Ereignis. Danach erfolgte innerhalb eines kurzen Zeitraumes unfreiwillig und plötzlich die schädigende Einwirkung der Allergene. Damit liegt nach § 178 Abs. 2 VVG ein Unfallgeschehen vor.
§ 178 Leistung des Versicherers
(2) Ein Unfall liegt vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Die Unfreiwilligkeit wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet.
Die Argumentation des Gerichtes ging sogar noch weiter:
Auch die „Mitwirkung bereits vorhandener Krankheiten oder Gebrechen“ bei den Unfallfolgen sei nicht gegeben.
Dadurch hatte der Versicherer seine Leistungspflicht zu reduzieren versucht. Die bekannten Allergien des Kindes seien keine Krankheit im Sinne der genannten Klausel. Nach Ansicht des OLG sei Krankheit definiert als „regelwidriger Körperzustand, der eine ärztliche Behandlung erfordert“. Dies sei bei einer Allergie nicht der Fall: Es reiche aus, wenn man die Stoffe vermeide, auf die man allergisch reagiert – eine weitergehende ärztliche Behandlung sei nicht zwingend notwendig.
Insofern hat der Versicherer die volle Summe, die für einen Unfalltod versichert war, zu zahlen.