LEISTUNGSVERWEIGERUNG DER GESETZLICHEN UNFALLVERSICHERUNG
Anknüpfend zu dem Beitrag „Neulich, im Beratungsgespräch zur BU„, speziell zum Thema, dass viele Arbeitnehmer glauben über die gesetzliche Unfallversicherung während der Arbeitszeit und auf dem Wege dorthin ausreichend versichert zu sein, möchte ich hier in „lockerer Folge“ ein paar Urteile zusammentragen, die aufzeigen, wie gefährlich es ist, sich auf diese staatliche Absicherung zu verlassen. Die Grenzen zwischen Arbeitsbereich und Privatspähre werden von den Gerichten zum Teil sehr, sehr eigenartig interpretiert. Im Ergebnis steht aber zum Leidwesen der Betroffenen, dass Sie eben keine Leistungen aus der Berufsgenossenschaft (=gesetzliche Unfallversicherung) beziehen.
Schon beim Start überrollt: Kein Versicherungsschutz
Eine 51-jährige Altenpfelegerin wollte mit dem PKW zur Arbeit fahren. Da aber der Wagen ihres Sohnes vor der Garage stand, fuhr sie diesen zur Seite, vergass aber, die Handbremse anzuziehen.
Beim Aussteigen stürzte sie – das Vorderrad überfuhr ihr Knie. Ergebnis eine schwere Knieverletzung. Die Berufsgenossenschaft wollte das nicht als Arbeitsunfall anerkenn und bekam recht. (SG Detmold 22.10.2009, S 14 U 74/09)
Umweg, um zu Tanken: Kein Versicherungsschutz
Ein 47-jähriger Motorradfahrer wich von der direkten Route zum Arbeitsplatz ab. Vor Erreichen des direkten Weges stürzte er – war infolgedessen für drei Monate nicht arbeitsfähig. Auch hier lehnte die BG ab und bekam Recht – das Betanken gehöre zur privaten Sphäre des Arbeitnehmers und stehe somit nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
(SG Detmold 16.11.2009, S 14 U 3/09)
Interessant auch die Gerichtsurteile, wenn es um Unfälle in der Werkskantine oder betrieblichen Toiletten geht:
In der Werkskantine am Kotelettknochen erstickt: Kein Versicherungsschutz
Wenn ein Arbeitnehmer in der Betriebskantine durch das Verschlucken eines Kotelettknochens zu Tode kommt, handelt es sich nicht um einen „Arbeitsunfall“, den die gesetzliche Unfallversicherung entschädigen muss; Essen gehört zur Privatsphäre. (BSG, 8 RKnU 1/90)
Holzstäbchen verschluckt und verstorben: KeinVersicherungsschutz
Verschluckt sich ein Arbeitnehmer beim Mittagesssen in der Werkskantine an einem Holzstäbchen einer Fleischroulade und stirbt er daran, so hat seine Frau keinen Anspruch auf Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn auch das Holzstück „eine gewisse Schadenquelle darstellt“. Etwas anderes gilt, wenn der Mann dienstlich bedingt das Mittagessen hastig hinuntergeschlungen hat oder sich z.B. mit seinem Chef beim Essen über einen bevorstehenden Kundenbesuch unterhalten hat. (BSG, 2 RU 264/66)
Weg zur Toilette ist versichert, aber hinter der Tür: Kein Versicherungsschutz
Der Gang zur Toilette ist über die Berufsunfallversicherung abgedeckt, alles was hinter der Toilettentür passiert, zählt aber dagegen zur Privatsphäre.
So wurde einer Frau in Bayern ein Unfall, der auf der Toilette ihres Arbeitgebers passierte, nicht als Betriebsunfall anerkannt. Eine Kollegin hatte ihr versehentlich auf der Betriebstoilette eine Tür ins Gesicht geschlagen. (Az.: L 3 U 323/01).