BU VERSICHERUNG: KUNDE MUSS LEISTUNGSFALL BEWEISEN
Das OLG Karlsruhe hat in einem interessanten Urteil AZ: (12 U 79/16) festgestellt, dass ein Kunde nur dann Leistungen aus seiner Berufsunfähigkeitsversicherung bezieht, wenn es ihm gelingt, nachzuweisen, dass die Anspruchsvorraussetzungen vorliegen. Elementar und kurz zusammen gefasst: Sie müssen als Kunde dem Versicherer nachweisen, dass dieser gemäss seiner Vertragsbedingungen zur Leistung verpflichtet ist.
Im vorliegenden Fall ging es um einen als Lagerist und Fahrer tätigen Arbeitnehmer. Seit 2011 litt er an starken Rücken- und Schulterschmerzen, die dazu führten, dass sein Arzt ihm bescheinigte, dass er seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben könne. Als ihm sein Arbeitgeber daraufhin kündigte (Mitte Dezember 2012) besuchte der Betroffene einen Fortbildungskurs zum CNC Dreher und verlangte von seinem BU Versicherer die Zahlung der vereinbarten Rente, da er seit spätestens 2012 wegen anhaltender Schmerzen nicht mehr in der Lage sei, seinen Beruf weiter auszuüben. Seit dem 01.02.2014 arbeitet der Kläger als CNC Dreher.
Dem Vertrag lag die übliche sog. 50% Klausel zugrunde:
1. Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechenden Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich auf Dauer (mindestens sechs Monate) außer Stande ist, ihren zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, auszuüben …
3. Ist die versicherte Person sechs Monate ununterbrochen infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechenden Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, vollständig oder teilweise außer Stande gewesen, ihren zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, auszuüben und hat sie in dieser Zeit auch keine andere Tätigkeit ausgeübt, die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht …, gilt dieser Zustand bei Fortdauer von Anfang an als vollständige oder teilweise Berufsunfähigkeit.
Der Kläger behauptet nun , er sei spätestens seit dem 19.12.2012 im Sinne der Versicherungsbedingungen berufsunfähig, da er aufgrund orthopädischer Erkrankungen nicht mehr in der Lage gewesen sei, seine bisherige Tätigkeit auszuüben.
Der Versicherer verweigerte die Zahlung. Es kam zur Verhandlung vor dem Landgericht. Hier wurde die Klage des Versicherten abgewiesen. Begründung: Dem Kläger sei der Nachweis bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit nicht gelungen. Ein orthopädischer Sachverständige, der zu Rate gezogen wurde, habe die Schmerzen nicht objektivieren, und vor allem nicht auf eine orthopädische Erkrankung zurückführen können. Psychische Ursachen für die Schmerzen standen nicht zur Debatte – der Kläger hatte keine psychischen Ursachen geltend gemacht. Andere Ursachen für die Schmerzen konnte das Gericht nicht erkennen: Orthopädisch liessen sich keine Ursachen für die Schmerzen nachweisen, auch wenn die Schmerzen das Betroffenen durchaus glaubhaft seien.
Gegen dieses Urteil ging der Versicherte in Berufung. Auch damit hatte er keinen Erfolg: Zwar können auch Schmerzen ohne klare Ursache als Grund für eine Berufsunfähigkeit in Frage kommen. Allerdings sind Schmerzen stark vom subjektiven Empfinden abhängig. Zwingend erforderlich sei hier also der Nachweis einer objektiven, nachweisbaren Krankheit. Hierzu stünden dem Kläger zwei Möglichkeiten zur Verfügung:
– der Nachweis körperlicher Ursachen für die Schmerzen (orthopädisch oder neurologisch)
– oder der Nachweis einer psychischen oder psychosomatischen Ursache für die Schmerzen.
Das Gericht stellte fest, der Nachweis einer körperlichen Ursache sei dem Kläger nicht gelungen – eine psychische Störung hatte er (s.o.) nicht geltend gemacht. Dass der Kläger unter Schmerzen leidet, stellt das Gericht gar nicht in Frage. Allerdings sei es entscheidend, ob sich das auch objektiv feststellen lässt – sich also eine nachweisbare Ursache anführen lässt. Es ist zu prüfen, ob diese Schmerzen – insbesondere nach ihrem Ausmaß – die Annahme einer Berufsunfähigkeit rechtfertigen. Dazu war nicht nur erforderlich, nachzuweisen, dass die Beeinträchtigungen durch die Schmerzen über „normale“, mit der vom Kläger geleisteten schweren körperlichen Arbeit typischerweise verbundene Belastungsschmerzen hinausgingen. Zusätzlich hätte der Kläger darüber hinaus beweisen müssen, dass die Schmerzen nach ihrem Umfang eine Berufsausübung unmöglich machen und entweder prognostisch eine dauerhafte Berufsunfähigkeit erwarten ließen oder das dieser Zustand mindestens für einen Zeitraum von sechs Monaten ununterbrochen andauerte. (Siehe oben, Auszug aus den Vertragsbedingungen) Dieser Nachweis sei dem Kläger nicht gelungen. Daher bestätigte das OLG die Entscheidung des Landgerichtes: der Kläger erhält keine Leistung von seinem BU Versicherer.
Das Urteil zeigt aus meiner Sicht zwei wesentliche Dinge auf:
– es ist ungeheuer wichtig, bei der Auswahl des Versicherers auf die Vertragsbedingungen zu achten. Moderne Bedingungswerke hätten im vorliegenden Fall u.U. die Beweisführung erleichtert. (z.B. sog. AU-Klausel)
– mindestens genauso wichtig ist es, im Falles des Verdachtes auf einen Leistungsfall, sofort professionelle Unterstützung zu suchen.
Wen es interessiert: Hier im Anhang das komplette OLG Urteil