IM GEFÄNGNIS SITZEN UND TROTZDEM BU RENTE BEKOMMEN?
In einem Prozess vor dem Oberlandesgerichtes Karlsruhe Az (Urteil vom 03.03.2016, 12 U 5/15), war die Frage zu klären, ob jemand, der eine 18 monatige Haftstrafe abzusitzen hat, gleichzeitig eine Rente wegen Berufsunfähigkeit von seinem Versicherer verlangen kann. Im Ergebnis wurde der Versicherer tatsächlich zur Zahlung der BU Rente verurteilt, da Teile der Vertragsbedingungen intransparent formuliert waren und diese Intransparenz zum Vorteil des Kunden auszulegen war.
Der Kläger war als Finanzberater tätig. Im Rahmen dieser Tätigkeit betrog er einen Kunden um mehrere hunderttausend Euro. Im Rahmen der Ermitlungen kam es unter anderem auch zu einer Hausdurchsuchung bei dem Finanzberater und er wurde in Folge zu einer zweieinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt, die er Ende des Jahres 2008 auch antrat.
Bereits vor dem Antritt der Haftstrafe begab sich der Mann in psychologische Behandlung – geschockt durch die Ereignisse u.a. bei der Hausdurschsuchung und im Rahmen einer Untersuchungshaft. Es wurde eine leichte Anpassungsstörung diagnostiziert. Zum 30.03.2009 kündigte der Mann ausserdem seine bestehende Berufsunfähigkeitsversicherung.
Infolge der Inhaftierung verschlechterte sich der psychische Zustand des Mannes aber weiter und entwickelte sich zu einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung, so dass er bis heute keine berufliche Tätigkeit mehr ausüben kann.
Er beantragte eine Rente von seiner BU Versicherung. Es gelang ihm aber nicht, nachzweisen, dass zum Zeitpunkt der Kündigung seiner BU (zum 30.03.2009) bereits die Leistungsvoraussetzungen gegeben waren, um die Rente zu erhalten. Auch konnte er nicht darlegen, dass sein Zustand sich voraussichtlich auf Dauer nicht bessern würde. Daher lehnte der Versicherer die Leistung ab. Es kam zur Klage.
Vor dem Landgericht wurde die Klage des Mannes noch abgewiesen. Schon alleine die Inhaftierung wegen einer Straftat führe dazu – so das Gericht – dass der Versicherer nicht zahlen müsse. Die Haftstrafe sei ja die Folge einer „vorsätzlichen oder versuchten Straftat“ und somit gemäß den Bedingungen des Versicherers nicht versichert. Ausserdem sei die Inhaftierung der Grund der Berufsunfähigkeit und nicht die bereits vorher diagnostizierte psychische Erkrankung.
Das Oberlandesgericht dagegen entschied zugunsten des Betroffenen:
Zunächst einmal stellte das OLG fest, dass eine Inhaftierung kein alleiniger Grund für das Nichtgewähren einer BU Leistung sei. Auch die Begründung des LG, er habe die BU selbst verursacht „durch vorsätzliche oder versuchte Ausführung einer Straftat“ sei nicht stichhaltig. Die seelischen Schäden, die der Mann davon getragen habe, seien eine Folge der Strafverfolgungsmaßnahmen (Hausdurchsuchung und Untersuchungshaft). Hier seien die Versicherungsbedingungen mehrdeutig zu interpretieren. Somit müssten die für den Betroffenen günstigsten Interpretationen angewendet werden.
Der Versicherer musste die vereinbarte BU Rente (ca. 1700.- € mtl) zahlen und zusätzlich die Versicherung von Ende 2008 bis 03/2009 beitragsfrei stellen.
Das Urteil ist rechtskräftig und eine Revision nicht zugelassen.